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Ist der Kormoran schuld ?

Bei der Jahrestagung der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee trafen sich am 04.11.2017 über 70 Vogelkundler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Romanshorn. Einen ganzen Tag lang diskutierten die ehrenamtlich tätigen Beobachter aktuelle Entwicklungen der Vogelwelt. Einer der Schwerpunkte stellten die neuesten ökologischen Entwicklungen am Bodensee dar. Neben der Zunahme invasiver Muscheln und Krebse wurde auch über den Rückgang der Felchenerträge, die bedrohliche Sauerstoffabnahme in tieferen Schichten, und das Absinken der Phosphatwerte im Seewasser auf Werte wie in den 1950er Jahren berichtet.

Kormoran | Foto: Stefan Werner
Kormoran | Foto: Stefan Werner
Abbildung 1: Kormoranbrutpaare am Bodensee: Daten: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee
Abbildung 1: Kormoranbrutpaare am Bodensee: Daten: Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee

Für Fragen zum Thema stehen folgende Vertreter der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee (OAB) zur Verfügung:

 

Dr. Hans-Günther Bauer, Vogelwarte Radolfzell, 07732 150 150

Dr. Stefan Werner, 0041 775202689

Prof. Dr. Gernot Segelbacher, Universität Freiburg, 0761 203 3798

Im Bodensee finden derzeit also tiefgehende ökologische Veränderungen statt. Dessen ungeachtet forcieren die Fischereibehörden nun eine angeblich umsetzbare Maßnahme, um den Ertragsrückgang der Berufsfischer umzukehren: ein sogenanntes Kormoran-Management. Trotz der scheinbar immer weniger werdenden Fische im See, steigt der Kormoran-Brutbestand weiter an (Abbildung 1). Ist der Kormoran denn so viel effizienter als unsere Berufsfischer?

 

Die Erklärung muss nach Ansicht der Ornithologen allerdings anders-wo gesucht werden:  Der Kormoran jagt vor allem kleine Schwarm-fischarten, die von den Fischern nicht genutzt werden. Aus Abschüssen von jährlich rund 600 bis 700 Kormoranen am Bodensee weiß man, dass er derzeit primär Stichlinge frisst. Diese nur etwa 10 cm kleine Fischart ist im Bodensee nicht heimisch. Doch heute bildet sie gemäß den Fischereibehörden über 80% aller Fische im Freiwasser des Bodensees. Der Stichling ist wirtschaftlich nicht nutzbar, im Gegenteil: er verhakt sich mit seinen Stacheln in Fischer-netzen und verursacht dadurch Schäden. Inzwischen wird sogar untersucht, wie sehr der Stichling als Konkurrent des „Brotfisches“ Felchen zu gelten hat. Insofern kann der Kormoran durchaus als „Helfer“ der Felchen betrachtet werden. Das Ausmaß der angeblichen Konkurrenz zwischen Kormoran und Fischer hingegen ist dadurch unklarer als je zuvor. Für den Rückgang der Felchen ist der Kormoran jedenfalls nicht verantwortlich zu machen.

 

Der Bodensee ist national und international ein Paradies für diverse Wasservögel. Werden nun Kormorane am Bodensee abgeschossen, füllen Kormorane von der Ostsee diese Lücke, die durch die abgeschossenen Vögel hinterlassen wird, rasch wieder auf. Die Anzahl der am Bodensee beobachteten Vögel bleibt unverändert. Die bisherigen Abschüsse erreichen daher nicht die gewünschte Wirkung einer Reduktion des Kormorans – geschweige denn einer fischerei-lichen Verbesserung. Über die verheerenden Folgen solcher Aktionen in Naturschutzgebieten (nur dort brüten Kormorane) auf andere geschützte Vogelarten wird meist geschwiegen. Denn die Bodensee-anrainer tragen eine hohe internationale Verantwortung für manche Vogelart: Allein von der charismatischen, störungsempfindlichen Kolbenente können 40% der gesamten Zugpopulation am Bodensee rasten - beim Kormoran sind es hingegen maximal 0.5%. Soll hier der Naturschutz am Bodensee einer offensichtlich unwirksamen Maßnahme geopfert werden?

 

Dass Fischer und Kormorane an großen Seen auch ohne Nachstellung des schwarzen Vogels nebeneinander existieren können, zeigt die INTERCAFE-Studie. Diese bisher umfangreichste Studie zum Thema Kormoran fasst die Erfahrungen aus 28 europäischen Staaten unter Beteiligung sämtlicher Nutzer- und Schutzgruppen zusammen und zeigt, dass man gemeinsam zu besseren Lösungen kommt (http://www.intercafeproject.net/).